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Wie Homeoffice erfolgreich umgesetzt werden kann

Durch die Pandemie hat sich unser Arbeitsalltag in kürzester Zeit grundlegend verändert. War früher das Arbeiten im Homeoffice eher die Ausnahme, ist es nun für viele alltäglich geworden.  Viele Unternehmen möchten auch weiterhin Homeoffice ermöglichen. Um dies erfolgreich und für alle zufriedenstellend zu gestalten, muss einiges beachtet werden. Wir haben mit Martin Zeschke, einem der Autoren von „Homeoffice“ aus der Reihe „Praxis der Personalpsychologie“ über mögliche Fallstricke, Ergebnisse aus der Forschung und die Zukunft der Arbeit gesprochen.

homeoffice frau sitzt auf ball

Vor der Pandemie war das Thema Homeoffice für viele Arbeitnehmer*innen eher Theorie als Praxis. Haben wir schnell dazugelernt oder ist nach Ihrer Sicht noch viel Luft nach oben?

Beides. Ich glaube, der große Knackpunkt ist, dass wir zu Beginn der Pandemie mehr oder weniger unfreiwillig ins Homeoffice gegangen sind. Die Pandemie ist zwar noch nicht vorbei, aber wir werden nicht mehr dazu „gezwungen“, ins Homeoffice zu gehen. Es muss jetzt ausgehandelt werden und Firmen können selbst entscheiden, ob sie Homeoffice ermöglichen wollen oder nicht.
Unternehmen, Beschäftigte und Führungskräfte konnten inzwischen viele Erfahrungen damit machen, wie Homeoffice funktionieren kann oder welche Probleme sich daraus ergeben. Die Forschung hat aber gezeigt, dass es viele negative Aspekte hatte, dass alle sofort Vollzeit ins Homeoffice gegangen sind – vor allem, weil es unfreiwillig geschah. Für viele war es eine ungewohnte Situation, die mit großen Hürden einherging, denn Homeschooling gehört ja z.B. nicht zum normalen Repertoire im Homeoffice. Viele Führungskräfte konnten diesen Umbruch nicht optimal moderieren, weil es keine Vorlaufzeit gab.

Ein großer Teil der Beschäftigten hat aber inzwischen das Homeoffice zu schätzen gelernt, auch wenn es vielleicht mit anfänglichen Schwierigkeiten einherging: räumlich, technisch, sozial. Viele Probleme sind jetzt ausgeräumt und viele Beschäftigte haben sich z.B. einen Arbeitsplatz eingerichtet, an dem sie gut arbeiten können und sitzen jetzt nicht mehr am wackeligen Küchentisch. Sie können sich jetzt auch überlegen, an welchen Tagen sie im Homeoffice bleiben, welche Aufgaben dafür geeignet sind und welche lieber im Büro und im Team erledigt werden. Das heißt, wir haben aus der Notwendigkeit, ins Homeoffice zu gehen, jetzt ein Potential mit viel Luft nach oben gewonnen, bei dem man neue Formen der Zusammenarbeit ausprobieren kann und damit auch neue Formen der eigenen Arbeitsgestaltung.

Man hört immer wieder, dass Arbeitgeber*innen darauf bestehen, dass Mitarbeitende (wieder) im Betrieb anwesend sind, teilweise immer noch Misstrauen gegenüber der Arbeit von Zuhause herrscht. In welche Richtung wird sich das entwickeln?

Ich hoffe, dass sich die Frage nach Vertrauen und Misstrauen im Homeoffice in Zukunft in eine positive Richtung entwickelt, allein deshalb, weil Führungskräfte bemerken, dass die Leistung ihrer Beschäftigten nicht sinkt, wenn sie zu Hause arbeiten. Bei der Frage nach dem Misstrauen gegenüber Homeoffice muss man aber unterscheiden, welche Motivation bei den Führungskräften dahintersteht. Natürlich bringen manche Führungskräfte und Unternehmen ein gewisses Misstrauen mit und haben ein Bedürfnis nach Kontrolle. Aber in Wirklichkeit kann ich auch bei Präsenzarbeit nicht kontrollieren, ob eine Person wirklich arbeitet. Gefühlt ist das aber für viele Führungskräften anders.

Andererseits kann es auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun haben. Wenn Führungskräfte z.B. Beschäftigte haben, die nicht im Homeoffice arbeiten können, weil der Arbeitsplatz dafür nicht geeignet ist, kann das Homeoffice abgelehnt werden, weil das Team zusammenhalten soll und es als unfair wahrgenommen wird, wenn Einzelne im Homeoffice sind. Hier darf man nicht alle Firmen oder Führungskräfte über einen Kamm scheren. Viele Führungskräfte sagen, dass sie durch die Teilung in Präsenzarbeit und Homeoffice einen ganz anderen Führungsstil entwickelt haben und dies auch mussten, weil es eben nicht mehr so war, dass man einfach mal schnell ins Büro gehen konnte und eine Besprechung zwischen Tür und Angel halten konnte. Es musste zielgerichteter gearbeitet werden, der Weg zum Ziel stand weniger im Vordergrund als das Ziel selbst. Vielen Beschäftigten wurde dabei zum Teil mehr Autonomie eingeräumt. Das erfordert klarere Absprachen, was am Anfang mehr Arbeit bedeutet, aber am Ende auch mehr Freiheit schaffen kann.

Es gibt also unterschiedliche Gründe, warum ein Unternehmen so entscheidet und ein anderes Unternehmen so. Ich glaube aber, Misstrauen ist ein großes Problem in vielen Firmen. Hier braucht man einfach neue Möglichkeiten, um z.B. Leistung zu kontrollieren. Etwa zu sagen, man trifft Absprachen, schaut dann auf das Ergebnis und führt Feedbackgespräche, um zu überprüfen, ob der Prozess stimmt. Wenn ich langfristig das Gefühl habe, es funktioniert nicht, dann kann ich natürlich die Beschäftigten wieder zurück ins Büro holen. Aber ich würde die Erfahrungen aus der Pandemie nicht einfach 1:1 auf die jetzige Situation mit ein bis zwei Tagen Homeoffice in der Woche übertragen, weil es ein ganz anderer Kontext war, in dem das stattgefunden hat.

Viele haben sich inzwischen ans Homeoffice gewöhnt und wissen die Vorteile zu schätzen. Wie können Arbeitgeber*innen Mitarbeitende bei der Rückkehr ins Büro unterstützen, wenn diese gewünscht oder notwendig ist?

Das ist tatsächliche eine schwierige Frage! Wichtig ist, dass es ohne Zwang geschieht. Wenn Firmen von fünf Tagen im Homeoffice auf null umsteigen, ist die Frustration unter den Beschäftigten vorprogrammiert. Besser ist es, die Vorteile der Büronutzung aufzuzeigen: Das Soziale, dass kürzere Absprachen möglich sind, dass der Teamzusammenhalt steigt, dass vor allem jüngeren Beschäftigten gezeigt wird, wie die Firmenkultur ist, dass es eben nicht immer egal ist, wo man arbeitet. Auch Incentives wie eine gute Cafeteria, eine gute Küche oder ein Pausenraum, in dem man in der Mittagspause zusammen essen kann, spielen eine Rolle. Wenn ich – gefühlt – nur Nachteile habe, wenn ich wieder ins Büro gehe, dann werde ich mich damit schwertun und mich vielleicht nach einer neuen Stelle umschauen. Zusätzlich kommt es auch auf die Aufgaben oder die Rolle an, die Personen haben. Wenn ich mit anderen aktiv zusammenarbeite, fällt der Umstieg vielleicht leichter, als wenn ich sage, es ist eigentlich egal, wo ich an meiner Aufgabe arbeite. Man sollte die Gründe für die Rückkehr ins Büro definitiv transparent machen, vielleicht auch die Beschäftigten einfach mal fragen: Was schätzt du am Homeoffice, was könnten wir hier verbessern, um deine Arbeit angenehmer zu gestalten? Nur im Büro zu arbeiten ist ja kein Selbstzweck.

Wenn in den Betrieben Räumlichkeiten reduziert werden und Shared Desks umgesetzt werden, wie verändert sich dann die Arbeitskultur?

Shared Desks sind ein zweischneidiges Schwert. Aus einer ökonomischen Perspektive ist es sicher sinnvoll, Tische zu reduzieren, wenn man weiß, dass z.B. nur noch 80% der Belegschaft jeden Tag da ist. Dafür muss man aber eine gute digitale Infrastruktur im Unternehmen haben, alle Dokumente sollten z.B. auf einem für alle erreichbaren Server liegen, damit ich auch von jedem Schreibtisch aus Zugriff habe. Wenn ich noch viel gedruckte Dokumente habe, Aktenordner, dann ergeben Shared Desks keinen Sinn. Nötig sind eigentlich genau die gleichen Voraussetzungen wie fürs Homeoffice. Auf der einen Seite bietet es die Möglichkeit zur Kosteneinsparung, auf der anderen Seite besteht aber die Gefahr, dass Beschäftigte sich an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr wohlfühlen. Es kommt auch in diesem Fall ganz auf die Umsetzung an. Es gibt Firmen, bei denen die Beschäftigten vollkommen zufrieden damit sind. Da gibt es z.B. Schließfächer, in denen man seine Sachen aufbewahren kann, man kann sie morgens herausnehmen und sich an einen freien Tisch setzen, oder es gibt ein Vergabekonzept, in dem man sich digital eintragen kann und dann weiß: Der Tisch gehört heute mir. Aber dort, wo es nicht so gut funktioniert, ist die Gefahr da, dass eine Spirale in Gang gesetzt wird und die Beschäftigten sagen: Im Homeoffice ist alles so, wie ich es haben möchte und im Büro eben nicht. Dann kann der eigentlich gute Ansatz genau in die falsche Richtung laufen. Es ist viel Disziplin bei den Beschäftigten notwendig, dass sie z.B. den Tisch immer wieder so hinterlassen, wie man ihn vorfinden möchte. Ein spannendes Thema, zu dem es noch nicht viele Studien gibt, das aber aktuell stark beforscht wird.
 

Was verändert sich für Führungskräfte, die ein Team leiten, das gänzlich oder teilweise im Homeoffice arbeitet, was müssen sie beachten?

Führung sollte weniger direktiv und mehr zielorientiert sein. Es gibt das sogenannte Results Only Work Environment, der Weg ist für die Beschäftigten komplett frei, das Ziel wird gemeinsam definiert. Es muss nicht sofort dieses Konzept sein, aber ich glaube, der Weg geht definitiv in diese Richtung. Studien haben gezeigt, dass direktive Führung, also den Prozess wirklich minutiös mitzugehen als Führungskraft, im Homeoffice wenig erfolgreich ist. Was Führungskräfte brauchen, sind Grundwerte, die sie vorleben, das sind Vertrauen und Autonomie. Das heißt, wenn ich meinen Beschäftigten vertraue, dass sie ihre Aufgaben erledigen und das tun, wofür sie bezahlt werden, dann kann ich ihnen auch Autonomie zugestehen und diese fördern. Hier ist eine offene und aktive Kommunikation notwendig, auf die sich dann auch die Führungskräfte verlassen können müssen, für die sie idealerweise aber auch Vorbild sein sollten.

Müsste es dann z.B. spezielle Weiterbildungen für Führungskräfte geben?

Es braucht definitiv Weiterbildungen, nicht nur für die jungen Führungskräfte, sondern auch für die erfahrenen, die jetzt in einem fast komplett neuen Setting funktionieren müssen. Ich finde, es ist auch keine Schande zu sagen: Ich habe Schwierigkeiten, Personen, die ich nicht sehe, zu führen. Oder auch kurz- mittel- oder langfristig zu planen, welche Aufgaben wann zu erledigen sind. Oder Freiheiten zuzulassen, die man selbst gar nicht vorgelebt bekommen hat. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass Führungskräfte für die Entwicklung ihres Führungsstils ihre eigenen Führungskräfte als Vorbild nehmen – und die hatten in der Regel auch keine Erfahrungen mit dem Homeoffice.

Wo sehen Sie die größten Spannungsfelder und wo die größten Potentiale in der Zukunft des Homeoffice?

Eine Studie, in der das Bedürfnis nach Homeoffice erhoben wurde, ergab, dass ein sehr großer Teil derjenigen, die schon im Homeoffice arbeiten, das weiterhin wollen. Nicht zwingend fünf Tage die Woche, aber zumindest teilweise. Genau der gleiche Anteil wünscht sich auch auf Unternehmensseite, dass Homeoffice weiter ermöglicht wird, etwa ein bis zwei Tage die Woche. Bisherige Studien zeigen, dass ein idealer Mix aus Homeoffice und Büro etwa zwei Tage im Homeoffice und drei Tage im Büro ist. Ein Viertel der Unternehmen lehnt Homeoffice aber ganz ab. Ich glaube, das ist ein großes Spannungsfeld für die Zukunft. Es geht darum: Wie viel Wertschätzung und Vertrauen bringe ich meinen Angestellten entgegen? Wenn ich mich als Firma positioniere und sage, alle müssen wieder dauerhaft ins Büro kommen, dann ist das in den Augen der Beschäftigten ein Zeugnis dafür, wie gut sie sich in den letzten Jahren geschlagen haben im Homeoffice – und zwar kein gutes. Als Unternehmen sollte ich den Prozess gut strukturieren und Führungskräfte unterstützen, z.B. ein hybrides Arbeitsmodell zu implementieren.
Ich glaube, dass es noch viel Potential für die Zukunft gibt. Beispielsweise könnte man auch über neue Formen der Zusammenarbeit nachdenken. Warum allein im Homeoffice sitzen? Man könnte mit Kolleg*innen aus anderen Firmen zusammenarbeiten oder mit Freund*innen, mit der Partnerin oder dem Partner.
Die Frage ist: Wie können wir die Zukunft der Arbeit so gestalten, dass sie für alle nützlich ist? Dabei sollte man weniger auf sein Bauchgefühl hören, sondern mehr auf tatsächliche Ergebnisse aus der Forschung schauen.


Herzlichen Dank für das Gespräch!

Martin Zeschke

Martin Zeschke, M.Sc. Psychologie, M.A. Kommunikations- und Medienwissenschaft, geb. 1989. 2008 – 2013 Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft in Leipzig. 2013 – 2018 Studium der Psychologie in Chemnitz. Seit 2017 Honorardozent, u.a. für die SRH Gera oder IB Leipzig. 2018 – 2020 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Technischen Universität Chemnitz. Seit 2020 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie und Promovend an der Universität Leipzig. Trainer und Speaker. Schwerpunkte: Leerlaufzeiten, Homeoffice und Kommunikation.
 

Foto: Anne-Katrin Hutschenreuter